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Hier wird die Matthäus-Passion poliert, bis sie glänzt

Für die Aufführung des Aachener Domchors wird intensiv geprobt

Von Sabine Rother (Text und Fotos)

Die Knaben des Domchors staunen, die Erwachsenen blicken auf, denn Domkapellmeister Berthold Botzet spricht nicht nur von Noten und Takten, wenn es um Johann Sebastian Bachs „Matthäuspassion“ (BWV 244, uraufgeführt am 11. April 1727 in der Leipziger Thomaskirche) geht. Es sind die Emotionen, die spirituellen Feinheiten und die kraftvollen, zutiefst menschlichen Regungen, die zur Ausstrahlung des mächtigen Passionswerkes auch noch nach fast 300 Jahren beitragen. Und darum ringt Botzet in jeder Probe zur Aufführung des Werkes am kommenden Sonntag, 17. März, 17 Uhr, im Aachener Dom mit dem zweigeteilten Chor und Pianistin Galina Ryzhikova am E-Piano, die geduldig immer wieder jede Stelle des Werks wiederholt, bis sie so „glänzt“, wie Botzet es von seinen Sängern hören möchte. So etwa im Eingangschor, der als Ausblick auf die Leidensgeschichte erklingt: „Sehet! Wen? den Bräutigam! Seht ihn! Wie? Als wie ein Lamm. Sehet! Was? Seht die Geduld. Seht! Wohin? auf unsre Schuld“ singen sie klar und diszipliniert im Wechsel, doch Botzet unterbricht.

„Diese Stelle hat enorme Energie“, sagt er. Nochmal. Nein, das ist es noch immer nicht. „Stellt euch doch mal vor, ihr wollt, dass jemand etwas Unglaubliches anschauen soll, was ihr entdeckt habt“, geht er ganz nah an seine Sänger heran. „Würdet ihr das so lahm rufen, so als ob es eigentlich egal ist?“ Eindringlich hebt der Domkapellmeister die Stimme. Der „Groschen fällt“, beim nächsten Mal kann man sich dem dringlichen „Sehet“ nicht mehr entziehen. „Wir verstehen das Werk viel besser, wenn Herr Botzet uns das so erklärt“, versichert etwa der zehnjährige Kiran. „Es ist eine traurige Geschichte, die religiösen Sachen sind schwierig, aber die Musik macht uns allen viel Freude.“

Zuletzt hat Botzet das Werk 2018 mit dem Domchor erarbeitet, dann kommt 2020 der Corona-Lockdown, die geplante Aufführung wird abgesagt, die schmerzliche Flaute lähmt und bekümmert alle. „Die Jüngsten im Chor haben noch gar keine Erfahrung, aber sie machen es schon toll, sie spüren die Feinheiten, wenn sie auch noch nicht alles verstehen“, sagt Botzet anerkennend. Er hat ein feines Gespür für Lob und Tadel, „übersetzt“ die machtvolle Tonsprache Bachs. Manchmal eben in kleinen Häppchen, in Takten, die immer und immer wieder gesungen, quasi „poliert“ werden. Geduldig ist er zwar, aber nie zu Kompromissen bereit. „Nein! Das habe ich von euch schon besser gehört! Hat sich der Sopran in den Büschen versteckt“, reagiert er auf kaum wahrnehmbare Bewegungen in der Domsingschule-Aula.

Im dunkelblauen Sweatshirt mit Domemblem, in lässigen Jeans und bequemen Halbschuhen ist Botzet gut gerüstet für eine auch sportliche Meisterleistung. Denn das bedeutet eine Chorprobe von bis zu acht Stunden. Da kann sich niemand seiner kenntnisreichen Leidenschaft entziehen, wird man miteinander besser und besser. Aufstehen, hinsetzen, atmen.

Die Matthäus-Passion ist Bachs umfangreichstes und am stärksten besetztes Werk, das 150 Minuten umfasst. „Ja, feierlich, aber nicht übertrieben“, hebt er die Arme beim Wort „Lamm“. „Schaut genau auf meine Hände.“ Wieder ein Stückchen Bach, und wieder geht Botzet die Treppe hinauf, stellt sich zwischen die Sopran-hellen Stimmen, horcht, was die jungen Sänger singen, die in diesem Moment ein bisschen aufgeregt sind.

Botzets Aufgabe ist es, die Chöre – den zweigeteilten Domchor – zusammenzuführen, dort zu helfen, wo alle „viel Atem“ und Ausdauer brauchen. „Klingt gut!“ ein hohes Lob. Dann singen sie an einem Stück, was zuvor mühsam im großen Puzzle der Partitur geprobt wurde. Und man ist zu Tränen gerührt.

Besetzung und Vorverkauf

Die Matthäus-Passion von Johann Sebastian Bach, Sonntag, 17. März, 17 Uhr, im Aachener Dom. Ausführende sind Markus Schäfer (Evangelist), Timothy Sharp (Christusworte), Judith Hilgers (Sopran), Elisabeth Stützer (Alt), Milos Bulajic (Tenor), Thomas Bonni (Bass) sowie das Barockensemble Concert Royal Köln auf historischen Instrumenten und der Aachener Domchor. Die Leitung hat Domkapellmeister Berthold Botzet.

Tickets zwischen 8 und 18 Euro sind ab dem 7. Februar online über die Webseite der Dommusik erhältlich: www.dommusik-aachen.de