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1873 wurde die französische Militäruniform abgelegt

Die Erneuerung der Kleidung steht in Zusammenhang mit der Gründung des Deutschen Kaiserreiches

Das ehrwürdige Amt der Domschweizer hat eine lange Tradition und lässt sich in Aachen bis zu den Ursprüngen der karolingischen Marienkirche zurückverfolgen. Der Dienst ist über die Jahrhunderte erhalten geblieben, aber ihre Bekleidung wurde auch dem jeweiligen Zeitgeschmack angepasst.

Das früheste Zeugnis für Wächter an Kaiser Karls Kirche geht auf Einhard, dem Schreiber Karls des Großen, zurück. Einhard erwähnt in seiner Vita Karoli Magni (817 bis 836) die Anordnung Karls des Großen, „indem er die Kirchendiener häufig ­ermahnte, dass nichts Unschickliches und Schmutziges in ihr zu bleiben von ihnen gestattet würde“, und auch dass die Türhüter es nicht nötig hatten, mit ihren Privatkleidungen den Dienst zu tun.

Ein Blick in die Historie

Obwohl es für das Mittelalter und die Gotik wenige Nachweise über dieses Amt gibt, so kann davon ausgegangen werden, dass es an der Marienkirche durchgehend bestanden hat. Das Gemälde von Hendrik van Steenwijk von 1575 belegt das zumindest für diese Zeit.
Neben dem Wächterdienst der Türhüter kennt der kirchliche Dienst auch das Amt des „Ruthenträgers“. Der Name des Ruthenträgers (fascicularii) leitet sich ab von dem Bündel (Ruten), das die Amtsdiener den höchsten Machthabern des Römischen Reiches vorantrugen.

Im kirchlichen Dienst bekleidet(e) der Rutenträger eine Zeremoniale Funktion, indem er würdig den Festzügen voranschreitet. In Aachen ist der Rutenträger besonders festlich ausgestattet. Er trägt einen roten Talar und je nach Anlass dazu die historischen Attribute die Schweizerkette, das Zepter oder den Zeremonienstab.

Im späten Mittelalter haben oftmals Schweizer Söldner die Wachdienste in großen Häusern und Kirchen übernommen. Sie wurden die Namensgeber für die Schweizer im deutschen und französischsprachigen Raum. Dort sind die Türhüter unter dem Begriff „suiss“ bekannt.

Franz Bock (1823-1899) schreibt dazu im Echo der Gegenwart (EdG) vom Sonntag, 7. Dezember 1873: „Weil nun namentlich die Schweizer in großer Zahl als Landesknechte seit dem Ausgang des Mittelalters, sowohl diesseits wie jenseits der Berge, sich nicht selten gegen hohen Sold anwerben ließen und aus diesen ehemaligen Landsknechten meist die Landsknechte und Thürsteher an fürstlichen Höfen, insbesondere aber am päpstlichen Hofe sich zu rekrutieren pflegten, ist es gekommen, daß seit dem 16. Jahrhundert diese Thürsteher den Gesamtnamen „Schweizer“ zu führen begannen.“

Über die Bekleidung der Türhüter gibt es für die früheste Zeit der Marienkirche keine direkten Überlieferungen. Es kann aber davon ausgegangen werden, dass das „Costüm“ dem jeweils gültigen Zeitgeschmack entsprochen hat, so auch in der „französischen Zeit“.

Franz Bock: “ Hinsichtlich des Costüms der Schweizer scheint das Kapitel unter dem Bischof Berdolet (1802 bis 1809) besonders wählerisch gewesen zu sein, man apportierte nämlich ohne Weiteres jenes militärische Costüm der Napolionischen Helebardiere.“ Nach der Ausstattung ‒ Bonaparte´s Hut, kurze Hose, weiße Strümpfe, Schnallenschuhe und Hellebarde ‒ könnte es sich um die Uniform der französischen Polizei in der Rheinprovinz gehandelt haben.

Die neuen Talare: Auf Betreiben von Franz Bock wurde 1873 diese französische Militäruniform abgelegt. Die Erneuerung der Kleidung ist sicherlich auch vor dem Hintergrund der Gründung des Deutschen Kaiserreiches am 18. Januar 1871 zu sehen. Die hierdurch ausgelöste patriotische Welle war gewiss auch ein Grund dafür, die napoleonische Militäruniform zu ersetzen. Die Abkehr von der ungeliebten „Zopfzeit“ des Barocks fand also nicht nur ein sichtbares Ende durch das Abschlagen des Stucks im Münster, sondern auch in der Abschaffung der Militäruniform für die Schweizer. Franz Bock: „Nachdem nun diese an die franz. Fremdherrschaft erinnernde Tracht der Schweizer im Laufe der Zeit veraltet und durch langjährigen Gebrauch derart abgenutzt worden ist, daß sie endlich durch eine neue ersetzt werden mußte.[…] welches bereits an einem der nächsten Sonntage im hiesigen Münster in Gebrauch genommen werden soll.”

Der Artikel von Franz Bock ist am 7. Dezember 1873 in der Zeitung „Echo der Gegenwart“ erschienen, so ist es sehr wahrscheinlich, dass die neuen Talare erstmals zum Weihnachtsfest 1873 getragen wurden, also in diesem Jahr vor 150 Jahren.

Die Attribute der Schweizer wurden von Bock im gleichen Jahr beschafft:

Marienszepter, 18. Jh. Unter Verwendung spätgotischer Teile. Als Bekrönung dient ein Marienfigürchen aus dem 2. Viertel des 18. Jahrhunderts.

Schweizerkette, ist eine Kopie der Marienkette in der Kempener Kirche St. Mariä Geburt. Original Köln, 1457.

Heroldstab, Aachen 19. Jahrhundert. Auf seiner Spitze eine in Metall vergoldete Figur eines knienden Engels, der das emaillierte Stiftswappen in Händen hält.

Zeremonienstab, (1810 bis 1814) mit dem Wappen von Le Camue. Nach Bischof Berdolet Le Camue fungierte als Diözesanadministrator und Generalvikar für das vakante Bistum Aachen.

Die Neuzeit: Mehr als ein Jahrhundert lang wurden die von Franz Bock eingeführten Talare mit den Vortrageengeln, Zeremonienstäben, Schweizerkette und dem Marienzepter im Aachener Dom an hohen Festtagen von den Domschweizern ­getragen, bis sie ab 1990 nach und nach abgelegt wurden.

Heutzutage sind die Talare durch eine zeitgemäße Bekleidung ersetzt worden. Das tut der Würde des Amtes im Dom keinen Abbruch. Im Gegenteil ist es ein Zeichen dafür, dass auch im Dom die Zeit nicht stehen geblieben ist. Dennoch werden die Talare von 1873 mit Stolz von den Domschweizern zum Karlsfest am 28. Januar getragen.

Wenn Sie Lust haben, mehr über die Geschichte der Domschweizer zu erfahren, empfehlen wir den nachfolgenden Aufsatz von Willi Radel: