Im Magnificat, dem Lobpreis aus dem Lukasevangelium, spricht die Gottesmutter Maria von sich persönlich und gleichzeitig stellvertretend für ihr Volk, für die Schwachen, Unterdrückten und Machtlosen, und setzt auf Gott, den Retter, der die Mächtigen vom Thron stürzt und die Niedrigen erhöht. Den Text des Magnificats finden Dombesucher auf den acht Fahnen, die auf dem Domhof vor dem Haupteingang stehen.
Im Aachener Dom, der der Gottesmutter Maria geweiht ist, wird seit Jahrhunderten neben den biblischen Tuchreliquien im Marienschrein auch eine Marienfigur, das sogenannte Gnadenbild, besonders verehrt. Im Aachener Dom stehen sich mit dem Gnadenbild und dem Karlsthron zwei Seiten der Macht gegenüber. Das Gnadenbild stellt mit Maria eine Frau dar, die sich ohne eigene Ansprüche in den Dienst Gottes stellt, um seinen Sohn zur Welt zu bringen – und damit dazu beiträgt, die Umkehrung geltender Machtverhältnisse einzuleiten. Auf dem Karlsthron nahmen nach Salbung und Krönung am Marienaltar zwischen 936 und 1531 über 30 weltliche Herrscher Platz und wurden zu Königen inthronisiert. Er steht für Machtausübung auch durch Gewalt und Unterdrückung und für einen universalen Herrschaftsanspruch.
Dieses Spannungsverhältnis greift die Predigtreihe zum Magnificat anlässlich des Jubiläums ’40 Jahre Welterbe Aachener Dom‘ auf:
mit Domvikar Dr. Peter Dückers
Meine Seele preist die Größe des Herrn, und mein Geist jubelt über Gott, meinen Retter. Denn auf die Niedrigkeit seiner Magd hat er geschaut.
mit Domkapitular Msgr. Gregor Huben
Denn der Mächtige hat Großes an mir getan, und sein Name ist heilig. Er erbarmt sich von Geschlecht zu Geschlecht über alle, die ihn fürchten.
mit Dompropst Manfred von Holtum
Er vollbringt mit seinem Arm machtvolle Taten: Er zerstreut, die im Herzen voll Hochmut sind.
mit Domkapitular Rolf-Peter Cremer
Er stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen. Die Hungernden beschenkt er mit seinen Gaben und lässt die Reichen leer ausgehen.
Dieser Gottesdienst findet in der Kirche St. Foillan statt.