Aufgabe war es, ein zeitgenössisches Gewand für das Aachener Gnadenbild, die seit Jahrhunderten verehrte Figur der Muttergottes mit dem Jesuskind, zu entwerfen. Rund 100 Entwürfe aus sechs Ländern gingen ein. Die Jury hat einen Dritten und zwei Zweite Preise vergeben.
Einen der beiden zweiten Preise gab die Jury an die Künsterin Heinke Haberland aus Düsseldorf. Ihre Installation ist jetzt bis zum 26. Juni im Dom zu sehen. Anlass für die Präsentation ist der 75. Geburtstag und die Verabschiedung von Dompropst Manfred von Holtum an diesem Sonntag. Er hatte sich gewünscht, dass das Gnadenbild dieses spezielle Kleid zu seinem Geburtstag und seinem Abschied aus dem Amt als Dompropst trägt. Die Künstlerin selbst hat am Mittwoch vor Fronleichnam die Marienfigur umgekleidet.
Haberlands Entwurf umkleidet die Muttergottes und das Kind lose mit einer Rettungsdecke. Ihr schlichtes, geschnitztes Gewand darunter bleibt sichtbar. Die Anmutung der raumgreifenden Draperie der Decke“soll sich im sublim Unbestimmten bewegen – zwischen achtlos übergeworfenem Provisorium und einem fein nuancierten, gotischen Faltenwurf.“, so die Künstlerin. Das Kind wird mit der Muttergottes eingehüllt, bleibt aber nackt.
Die spätgotische geschnitzte, bemalte und vergoldete Figur der Gottesmutter erhält mit der goldenen Rettungsdecke eine neue Interpretation als Maria mit dem Schutzmantel. Gleichzeitig entstehen beim Betrachter aktuelle Bilder aus den Medien von Not, Verzweiflung, Trauer, Hilfe, Barmherzigkeit, Flucht und Rettung.
Für die Künstlerin Haberland kehrt sich somit die Verehrung der Muttergottes um. Die Gläubigen können in ihr eine Gestalt erkennen, zu der nicht aufgeschaut wird, sondern die sich in die Reihe der Notleidenden einfügt und selbst Hilfe und Mitgefühl braucht: „Sie ist in der Auffassung dieses Entwurfs nicht nur die schutzgebende Gnadenmadonna, sondern zugleich auch selbst eine Schutzbedürftige und Verletzte. So ist die goldene Hülle ambivalent zu verstehen: sowohl ein Schutzmantel, der die Bedrängten birgt, als auch: Sie ist eine von ihnen. Die Mutter Gottes stellt sich in diesem Entwurf auf die Seite der Ärmsten und Verzweifelten. Sie ist auch nicht allein auf dem Bildnis, sie birgt in ihrem Gewand – und damit auch in sich – ihr Kind. Und auch wenn er hier noch Kind ist, enthüllt sich in diesem Kleid auch die spätere Botschaft des Sohnes: Was Ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habe, das habt Ihr mir getan.“ Für das Domkapitel als Ausrichter des Wettbewerbs „Ein Kleid für Maria“ trägt dieses Kleid eine andere, verstörende Seite der Welt hinein. Inmitten des prunkvollen Aachener Doms, voller Schätze, goldener Schreine und glänzender Mosaiken ist ihr neues Kleid aus einem ganz speziellen Gold, dem Gold der Armut und der Not.
In den folgenden Monaten wird es einen Wechsel geben zwischen traditioneller Bekleidung mit historischen Gewändern und Schmuck und neuen Kleidern, die im Rahmen des Wettbewerbs entstanden sind.