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Caroli praesentia! Ein glückliches Wiedersehen nach fünfeinhalb Jahren

Am 13. Juni 1945 wurde der Aachener Domschatz nach der kriegsbedingten Auslagerung erstmals wieder öffentlich gezeigt

Zum ersten Mal nach fast sechs Jahren konnte der Aachener Domschatz am 13. Juni 1945 im Oktogon des Doms öffentlich betrachtet werden. Bild: Fotosammlung A. Peters

„Nie wurden Lastwagen mit solcher Behutsamkeit gefahren als die, die Steve (Anm. Domvikar Erich Stephany) und mich westwärts zum Rheinland steuerten.“ Höchst wertvoll war die Fracht, die am 26. Mai 1945 in zwei Militär-Lkw Richtung Aachen rollte. Das hatte Captain Walter K. Hancock, der Leiter des Transports, den Fahrern im Vorfeld eindringlich klargemacht. „Es ist Karl der Große selbst, den ihr in euren Lastwagen nach Aachen zurückbringt. Und ihr transportiert auch das Kleid der Heiligen Jungfrau, die Windeln des Jesuskindes, das Leichenhemd Johannes des Täufers und die Gebeine vieler anderer Heiliger.“

Als der Konvoi am Abend mit den ersehnten Schatzkisten vor dem Dom eintraf, waren Freude und Erleichterung groß. Domvikar Stephany schrieb dazu in seinen Aufzeichnungen: „Schnell wurden sie durch zuverlässige Männer aus der Nachbarschaft abgeladen und als am Nachmittag des kommenden Sonntags bei der ‚Musik im Dom‘ der Bischof die Freudenbotschaft von der Kanzel kündete, da klang das Urbs aquensis durch den Dom – war es doch nach 5 ½ Jahren wieder wahr geworden: Caroli praesentia!“

Am Mittwoch, 13. Juni, erfolgte in einem feierlichen Akt die offizielle Übergabe an das Domkapitel. Auf dessen Einladung fanden sich morgens um 11 Uhr Vertreter der Militärregierung, der Stadtverwaltung und der Presse im Dom ein, um in Anwesenheit von Bischof Johann Joseph van der Velden an der ersten feierlichen Besichtigung der Schätze teilzunehmen. Die Kisten wurden geöffnet, die Inhalte auf ihren Zustand geprüft. Der Bischof dankte besonders dem Aachener Oberkommandanten Major John P. Bradford für dessen maßgebliche Unterstützung. Zwischen dem 19. und 22. Juli wurde der Schatz öffentlich ausgestellt: Mehr als als 20.000 Gläubige zogen an ihm vorüber.

Die Odyssee des Domschatzes – ein Rückblick

Acht Tage nach Kriegsausbruch hatte das Aachener Domkapitel am 9. September 1939 von Oberbürgermeister Quirin Jansen den Befehl erhalten, den Domschatz kurzfristig nach Bückeburg auszulagern. Das Kapitel selbst hatte andere Pläne und wollte den Schatz lieber in einem der beiden bombensicheren karolingischen Treppentürme aufbewahren. Dort lagerte er bereits seit einigen Wochen in Kisten. Allerdings blieben die Einwände erfolglos. Bereits zwei Tage später erfolgte der Transport nach Bückeburg – begleitet von Vertretern der Stadtverwaltung, des Domkapitels und der Polizei. Ebenfalls auf die Reise gingen die Aachener Kopien der Reichsinsignien aus dem Rathaus und ein großer Teil der Kunstwerke aus dem Suermondt-Museum.

Die Lagerungsbedingungen im Bückeburger Schloss waren jedoch alles andere als ideal: Es gab Sicherheits- und Feuchtigkeitsprobleme. Immer wieder bemühte sich das Domkapitel in der Folgezeit um eine mögliche Rückführung – schließlich betrachtete man sich juristisch gesehen als rechtmäßigen Verwalter des Schatzes. Doch gerade, als es so aussah, als schließe sich das Kirchenministerium in Berlin dieser Auffassung an, intervenierte Oberbürgermeister Jansen erneut: Zur Auslieferung der Domschätze sei die Erlaubnis Heinrich Himmlers, des Reichsführers SS, notwendig. Nun gab es ein zähes Zuständigskeitsgerangel, das mit einem Kompromiss endete: Himmler erklärte vierzehn Teile des Domschatzes zu „reichswichtigen“ Objekten, darunter die beiden großen Schreine, die Karlsbüste und das Lotharkreuz. Die Entscheidung über deren Deportort behielt er sich vor. Der übrige Domschatz wurde freigegeben.
Am 19. Februar 1941 erfolgte der Transport der „reichswichtigen“ Kunstschätze nach Meißen in die unterirdischen Gewölbe der Albrechtsburg. Die anderen Teile des Schatzes gelangten nach Aachen zurück und wurden im südlichen Treppenturm mit seinen bis zu 2,30 Meter dicken Mauern verstaut.

Ein stilles Ringen um die Zuständigkeitsfrage
Regelmäßig fuhren Mitglieder des Aachener Domkapitels nach Meißen, um den Zustand der Objekte zu überprüfen. Gleichzeitig wurde immer wieder der Anspruch auf das Eigentum bekundet. In dieser Zeit änderte sich die personelle Zuständigkeit: Am 25. Oktober 1943 ernannte Bischof van der Velden den 1935 zum Priester geweihten Kaplan Erich Stephany zum Domvikar und übertrug ihm die Sorge für den Dom und seinen Schatz. Bis dahin hatte der fast 79-jährige Dombaumeister Josef Buchkremer diese Aufgabe mit größtem Engagement ausgefüllt.
Bei der Entscheidung für Meißen war man davon ausgegangen, dass die Stadt außerhalb des Aktionsradius der alliierten Flugzeuge liegen würde. Diese Einschätzung erwies sich als Irrtum. Hinzu kam: Bereits Anfang 1944 hatte das Domkapitel den Hinweis erhalten, dass die Alliierten ein besiegtes Deutschland in Interessenzonen aufteilen wollten. Demnach würde Meißen in der russischen Besatzungszone liegen. Um die Gefahr eines russischen Zugriffs abzuwenden, aber um sich nicht dem Vorwurf der Schwarzseherei bezüglich des Kriegsverlaufs auszusetzen, führte das Domkapitel eine mögliche Bombardierung Meißens als Argument für eine Verlagerung an. Die Albrechtsburg galt nicht als „bombensicher“.

Und so kam es, dass die Odyssee des Domschatzes weiterging. Nach langer Suche und Verhandlungen mit Himmler kam der Schatz gemeinsam mit anderen Aachener Kunstwerken im September 1944 nach Siegen in den Hainer Stollen, einer Luftschutzanlage unter dem Burgberg. Domvikar Stephany war vor Ort und überwachte die Einlagerung persönlich. Aachener Museumsangestellte übernahmen – wie schon in Meißen – die Bewachung. Zu ihnen gehörte Hubert Etzkorn, Museumsoberpräparator des Suermondt-Museums, der die Kunstwerke auf ihrer gesamten Odyssee begleitete und beschützte.

Der Domschatz in alliierter Hand
Nach der mehrwöchigen Belagerung und Kapitulation Aachens im Oktober 1944 gingen die Kriegshandlungen im übrigen Rheinland weiter. Da es keinen Post- und Fernmeldeverkehr mehr gab, brach der Kontakt zum Siegener Depot ab. Über das Radio und die Besatzungskräfte bleib das Domkapitel jedoch über die jeweilige Lage der Front auf dem Laufenden. Sorgen machte man sich in Aachen über Pläne der SS, die Schätze vor den anrückenden Amerikanern gen Osten zu verlagern. Ein entsprechender Versuch war von dem treuen Bewacher des Schatzes, Hubert Etzkorn, bereits mutig vereitelt worden.

Kurz vor Ostern 1945 wandte sich Domvikar Stephany auf Veranlassung des Aachener Bischofs an Major John P. Bradford, den amerikanischen Ortskommandaten, um ihn über die Aufbewahrung des Domschatzes in Siegen zu informieren. Bradford nahm sofort Kontakt auf zu Captain Walter Hancock, einem Kunstschutzoffizier. Dieser rief Stephany bereits am Ostermontag nach Siegen, um sich im Hainer Stollen ein Bild von der Lage zu machen. Dort waren nicht nur die Aachener Schätze untergebracht, sondern auch die vieler anderer Museen und Kirchen. Und nicht nur das: Da Siegen bereits seit drei Monaten bombardiert worden war, hatten rund 3000 Menschen im Stollen Schutz gesucht. Seit Wochen hausten sie dort eingepfercht unter schlimmsten Bedingungen. Der Domschatz lagerte in einem abgetrennten Gewölbe – unversehrt trotz der Feuchtigkeit im Schacht, die an vielen Kunstwerken bereits großen Schaden angerichtet hatte.

Im Mai 1945 übernahmen die Briten das Kommando in Aachen. Die Offiziere der amerikanischen Militärregierung wollten ihre Tätigkeit vor dem Abrücken aber noch mit der Rückholung des Domschatzes „krönen“. Zuständigkeits- und Transportprobleme erschwerten die Situation. Der Durchbruch war schließlich Hancock zu verdanken, der es verstand, den Dienstweg kreativ zu umschiffen. Domvikar Stephany schrieb später: „Captain Hancock handelte damals mit der vielen Amerikanern eigenen Nonchalance gegenüber den Anordnungen der Militärbürokratie.“

Und so kam es, dass der Domschatz bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt nach Kriegsende unversehrt nach Hause zurückkehrte. Seine Bedeutung für Aachen und seine Wertschätzung durch die Aachener hat bis heute nicht nachgelassen.

  1. Quellen: College Art Journal, ausschnittsweise deutsche Übersetzung in: Karl Schein/Roland Wentzler, Hoffnung und Gewißheit – Aachens Dom und Domschatz in Kriegs- und Nachkriegszeit, Aachen 2006; Bericht von Theodor WILDEMAN vom 27.5.1945, Stadtarchiv Siegen, 41 (4166), Bd. 1; Aufstellung des Aachener Kathedralkapitels vom 7.6.1945, Stadtarchiv Aachen C 2813/c; Walker HANCOCK, Experiences of a Monuments Officer in Germany, College Art Journal 5,4 (Mai 1946), S. 306; ‚Domschatz ist wieder in Aachen’, Aachener Nachrichten vom 30.5.1945; Erich STEPHANY, Die Schicksale des Aachener Domschatzes während des Krieges 1939-1945, in: Wilhelm NEUSS (Hg.), Krieg und Kunst im Erzbistum Köln und Bistum Aachen (1948), S. 68; Michael REDEPENNING, Ein Amerikaner flucht laut: „Die verdammten alten Knochen!“, Aachener Volkszeitung vom 20.7.1965.
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